Die Tradition des Beierns in Eckenhagen – Teil 1

aus: Gemeindebrief 1-2025, Text und Fotos: Sandra Papendick

Wer weiß denn, wann Martin Luther Geburtstag hat? Jede*r Bürger*in von Eckenhagen und der nahen Umgebung wird jedes Jahr daran erinnert, wenn die Glocken anlässlich dieses Ereignisses eine Stunde lang läuten. Und auch das werden die Eckenhääner Bürger wissen: Dass sich dieses festliche Geläut ganz anders anhört, als die üblichen alltäglichen Kirchenglocken.

Ich hatte im letzten Jahr zu Luthers Geburtstag, die tolle Gelegenheit, mit einer Frau und ein paar Männern beim Beiern dabei sein zu können. Es war von mir gar nicht geplant, die ganze Stunde dabei zu sein, doch die Zeit verging so schnell und es war wirklich beeindruckend, dieser alten Tradition beizuwohnen.
Wie schön, dass diese Tradition Teil unserer Kirchengemeinde ist!

Sandra Papendick und Bärbel Dittrich im Turm
Sandra Papendick und Kerstin Günther-Behrendt im Turm

Es erfordert eine besondere Bereitschaft und auch körperlichen Einsatz, bei jedem Wind und Wetter zu den bestimmten feierlichen Anlässen in den Turm zu krackseln, um die Beier-Tradition weiterleben zu lassen. Kerstin Günther-Behrendt war so freundlich, einige alte Zeitungsartikel und auch einen von ihr selbst verfassten Bericht zu überarbeiten und für die Veröffentlichung hier zur Verfügung zu stellen. Vielen Dank dafür!

Und vielen Dank den Beierleuten für den großartigen Einsatz!
Ach ja, die Antwort lautet: Martin Luthers Geburtstag ist am 10. November 1483.

Beiertafel Eckenhagen
Beiertafel Eckenhagen

Beiern in Eckenhagen

aus: Gemeindebrief 1-2025, Text: Kerstin Günther-Behrendt vom 27.09.2005, überarbeitet am 13.01.2025 Fotos: Sandra Papendick

Abenteuerlich gestaltet sich der Aufstieg zu den Glocken der evangelischen Kirche in Eckenhagen.
Sie sind nur durch eng verwinkelte Treppen im Bruchsteingemäuer und freiliegende Holzstiegen zu erreichen.
Der alte Glockenstuhl aus Eichenbalken trägt 3 Bronzeglocken: eine 32-Zentnerglocke, auf Dis gestimmt, die mittlere 18-Zentnerglocke auf Fis und die kleine 12-Zentnerglocke auf Gis.
Normalerweise werden sie automatisch von Elektromotoren angetrieben.
Doch zu kirchlichen Feiertagen, wie Weihnachten, zu Konfirmationen oder Silvester wird ein Festklang von Hand erzeugt.
Dafür zuständig sind die Beierleute, eine Gruppe von 12 Männern und 2 Frauen.
Das „Beiern“ (aus dem flämischen = Glocken schlagen) hat seit 1764 in Eckenhagen Tradition. Für das Läuten von Hand braucht man nicht nur Muskelkraft, sondern auch Konzentration, Taktgefühl und musikalisches Verständnis.
Bevor die 3 Glocken klingen, muss die Läute-Automatik abgeschaltet werden. Diese Automatik sorgt z.B. für’s Mittag oder Abendläuten. Dann müssen die beiden kleineren Glocken für den Handbetrieb präpariert werden.

Beiermann in Aktion
Beiermann in Aktion

Dazu klettert ein Beiermann auf den hölzernen Glockenstuhl und befestigt Holzbohlen auf dem Joch. An den Holzbohlen ist je ein dickes Seil befestigt, das dann mit einer Schlaufe um den Klöppel gebunden wird.
Zwischen Klöppel und Glockenrand bleibt nur noch eine Hand breit Platz. Ein kräftiger Zug am Seil sorgt dann für den Anschlag und lässt die Glocke tönen.
Die größte Glocke wird weiterhin elektrisch angetrieben. Bei den ersten Schwüngen verhindert ein Beiermann die Berührung von Klöppel und Glockenrand. Und zwar so lange, bis sie regelmäßig hin und her schwingt. Sie gibt schließlich den Takt vor. Erklingt ihr tiefer Ton dann gleichmäßig, setzen die kleineren Glocken ein. Zwischen den tiefen Anschlägen erzeugen die Beierleute mit dem Ein- bzw. Zweischlag eine Melodie. Nach 3 bis 5 Minuten gibt es eine Ablösung, der Zug am Seil ist kräftezehrend. Die Tonfolge darf dabei nicht unterbrochen werden. Einsatz und Ende müssen sauber sein. Ein verfrühter oder verspäteter Ton fällt alteingesessenen Eckenhäänern sofort auf.
Im Turm ist es meist kalt und zugig, manchmal tanzen sogar Schneeflocken durch die Luft. Zum Schutz gegen Kälte und Nässe wurde erst 1983 auf dem Dachboden der Kirche die sogenannte Beierstube eingerichtet. Hier werden Utensilien wir Gehörschutz, Seile und Werkzeug aufbewahrt.

Beierleute, Gruppenfoto
Beierleute, Gruppenfoto